Kundgebung „Solidarität mit den Opfern der israelischen Apartheidpolitik“ in Stuttgart am 29.5.2021 (15:00-17:00 Uhr)

Nachdem sich in den letzten Wochen Konflikte in Israel und den besetzten Gebieten zugespitzt hatten und dann Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen auf Ziele in Israel begann und Israel seinerseits mit massiven militärischen Einsätzen auf Ziele im Gazastreifen mit vielen zivilen Opfern reagierte, kam es u.a. auch in Deutschland zu Solidaritätskundgebungen mit den Palästinensern und auch zu anti-israelischen Demonstrationen, auch vor Synagogen. Wo dabei die Grenze zwischen Kritik am Handeln des Staates Israel einerseits und Antisemitismus andererseits zu ziehen ist, ist keine einfache Frage (und v.a. keine, die wir hier erörtern können). Weil nicht auszuschließen war, dass auch dieser Kundgebung ähnliche Auseinandersetzungen folgen könnten, schien es uns wichtig, da zu sein und hinzuschauen. Da in diesen Auseinandersetzungen die Ausübung des Rechts auf Versammlungen nach Art. 8 GG oft mit den Inhalten (Parolen, Formulierungen auf Schildern u.ä.) in Verbindung gebracht wird, gehen wir mehr als sonst auf diese ein.

Die Veranstalter rechneten nicht mit sehr großem Zulauf: Die Bühne war klein und die Lautsprecheranlage entsprechend dimensioniert. Auf dem Platz waren Kreuze in corona-gerechten Abständen auf dem Pflaster markiert, damit die Teilnehmenden sich entsprechend verteilen konnten. Es kamen wohl kaum mehr als 150 Menschen. Gegner des Anliegens der Kundgebung waren nicht aufgetaucht. Die Polizei war mit ca. 6 Fahrzeugen und dem entspr. Kräften da. Es kam zu keinerlei Konflikten mit den Demonstrierenden.

Diese hatten viele Palästinenserfahnen dabei, es gab Plakate, die die Folgen der israelischen Angriffe auf den Gazastreifen zeigten, die Namen der dabei (lt. Redebeiträgen) getöteten 75 palästinensischen Kindern wurden verlesen. Eine Schauspielerin las Gedichte eines palästinensischen Dichters. Die Redebeiträge stellten die jüngsten Ereignisse einerseits in den Zusammenhang der Nakba und deren Fortsetzung bis heute und sahen die Ursachen auch in der Enttäuschung über die Ergebnislosigkeit des in den 90-er Jahren versuchten Friedensprozesses. Man sah das praktische Verschwinden der politischen Linken aus der israelischen Politik als Grund, warum Palästinenser an einer Lösung des Konflikts verzweifeln. Die Politik des Staates gegenüber arabischen Bewohnern innerhalb und außerhalb des Staatsgebiets wurde als Apartheid bezeichnet. Viele einzelne Teilnehmende hatten eigene Schilder dabei, die auf einem Schild Gerechtigkeit für Palästinenser und Ablehnung von Antisemitismus bekundeten, oder aus den Worten bestanden: „I see humans but no humanity.“ Es gab freilich auch die Parole „free, free, free, from the river to the sea.“

Wir sehen in all dem die glaubhafte Position, staatliches Handeln in Israel und dessen unkritische Unterstützung in Europa zu kritisieren. Den Status der Palästinenser in Israel als „Apartheid“ zu bezeichnen wirft der israelischen Regierung natürlich ethnische Diskriminierung vor; er rückt die Verhältnisse in Israel in die Nähe derer im früheren Südafrika und wirkt so provozierend polemisch. Doch die Kritik an dem rechtlichen und faktischen Status der Palästinenser in Israel und den besetzten Gebieten insgesamt zurückzuweisen, indem man sie antisemitisch nennt, wäre ein Ausdruck der Verweigerung der Diskussion über die Realität.