Stadt Stuttgart macht Kundgebung im Bereich des Hauptbahnhofs unmöglich

Vorbemerkung: Grundsätzlich berichten wir hier nur über unsere eigenen Beobachtungen bei Demonstrationen, so dass wir für die Faktentreue des Beobachteten einstehen können. Doch wie geht das bei einer Kundgebung, die gar nicht stattfinden konnte? Wird eine Kundgebung de facto dadurch verhindert, dass die Auflagen überzogene, sachlich nicht gerechtfertigte Bedingungen enthalten, stellt dies eine Einschränkung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit dar. Deshalb folgt hier (v.a. für Nicht-Stuttgarter) eine kurze Einordnung und dann der Bericht des Anmelders.

Wir weisen die Stadt Stuttgart darauf hin, dass zum Grundrecht auf Versammlungsfreiheit auch gehört, dass diese Versammlungen in Hör- und Sichtweite der Adressaten stattfinden können.

Konrad Nestle – Demobeobachtung Südwest

Der Stuttgarter Kopfbahnhof wurde am 22.10.2022 hundert Jahre alt. Zu diesem Jubiläum wurden von einem privaten Festkomitee Veranstaltungen geplant, die die nach wie vor bestehenden Vorzüge des Kopfbahnhofs würdigen sollten. Dazu gehörten nicht zuletzt zahlreiche Sonderfahrten mit historischen Zügen. Das Publikum, das von der Nordseite von und zu diesen Zügen in den Bahnhof strömte, sollte am Nachmittag des 22. 10. durch eine kleine Kundgebung mit Redebeiträgen und Musik darauf aufmerksam gemacht werden.

Der angemeldete Versammlungsort im Bereich der Karoline-Kaulla-Passage wurde von der Stadt mit Hinweis auf Fluchtwege bei einem Brand o.Ä. verweigert. Die angebotenen Ersatzstandorte lagen abseits der Passantenströme, die angesprochen werden sollten, waren somit für die Anmelder nicht annehmbar. Der Kernsatz der Ablehnung lautet: Die Entscheidung, dass die eingereichte Fläche nicht geeignet ist, wurde unter Beteiligung der entsprechenden Fachabteilungen getroffen. Die Ablehnungsgründe sind nicht verhandelbar, da jegliches Abweichen die Rechte Dritter einschränken und auch gefährden würde. Eine Gelegenheit zu einem mündlichen Gespräch mit der Gelegenheit, die Ablehnungsgründe zu entkräften, wurde verweigert.

Die Anmelder belegen durch Fotos, dass der Versammlungsort zur fraglichen Zeit problemlos Platz für eine Kundgebung mit entspr. Mitteln und ca. 50 Teilnehmenden geboten hätte.

10.14h (angemeldete Fläche)
10.14h (angemeldete Fläche)
15.16h (angemeldete Versammlungsfläche)
15.16h (angemeldete Versammlungsfläche)
15.16h (Umfeld)
15.16h (Umfeld)
15.16h (Umfeld)
15.16h (Umfeld)
17.00h (angemeldete Versammlungsfläche)
17.00h (angemeldete Versammlungsfläche)

 

Unter den von der Stadt diktierten Bedingungen zog das Aktionsbündnis seine Anmeldung zurück.

Hier der Bericht des Aktionsbündnisses gegen S 21:

100-Jahre-Kopfbahnhof-Kundgebung abgesagt

Veröffentlicht am 21. Oktober 2022 von Martin Poguntke

(http://www.kopfbahnhof-21.de/100-jahre-kopfbahnhof-kundgebung-abgesagt/)

iebe Freundinnen und Freunde des jetzt hundertjährigen Kopfbahnhofs!

Wir hatten Euch über das letzte Rundmail, auf der Montagsdemo und vielen anderen Wegen, auch kontext berichtete, zu einer Kundgebung am Samstag, den 22. Oktober 16.30 in der Karoline-Kaulla-Passage Nähe Kopfbahnhofgleise eingeladen. Es sollten Jörg Jaekel und Norbert Bongartz vom Festkomitee sprechen, Guntrun Müller-Enßlin sollte moderieren und Musik wäre von Dr. Jay gekommen.

Diese Anmeldung mussten wir heute nach langem Hin-und Hergezerre zurückziehen:
Mail an das Amt für Öffentliche Ordnung , heute 11.21h:
„Sehr geehrte …(AföO).,
der neu vorgeschlagene Versammlungsort erfüllt den Ihnen erläuterten Zweck der Versammlung nicht. Die Gründe für die Ablehnung des von uns beantragten Versammlungsort überzeugen uns nicht. Das mehrmalige Angebot, über Ihre Ablehnungsgründe in einem Kooperationsgespräch zu sprechen, haben sie abgelehnt.
Wir ziehen unsere Versammlungsanmeldungen für den 22. Oktober zurück und sagen die Versammlungen ab.
Mit freundlichen Grüßen, Werner Sauerborn, i.A. Festkomitee 100 Jahre Hauptbahnhof“

Wir wollten besonders die Reisenden auf die Bedeutung des Baudenkmals und Wahrzeichen der Stadt und auf die ingenieurtechnische Meisterleistung des Gleisvorfelds und der Zuläufe aufmerksam machen.

Das war den Stuttgart21-Förderern in Stadt, Land und bei der Bahn wohl schon zu viel: Mit bürokratischen Hürden und Vorwänden wurde eine sinnvolle Veranstaltung faktisch verhindert.

Besondere Kuriosität: Die Stadt interessiert sich einen feuchten Kehricht um mangelhaften Brandschutz und fehlende Entfluchtungsmöglichkeiten ihres Mega-Projekts, das viele Hundert Menschen großen Lebensgefahren aussetzt und blockiert zugleich eine nicht allzu große Versammlung mit Hinweis auf fehlende Entfluchtung bei einem Brand im Kopfbahnhof!

Auch die Bahn hat die Zusage, auf ihren Flächen im Zusammenhang mit den geplanten historischen Sonderfahrten Tische aufzustellen und historische Abbildungen zu zeigen, kurzfristig zurückgezogen. Sie „feiert“ das 100-Jährige des Bahnhofs, in dem sie Führungen durch das zerstörte Innenleben des Bonatzbaus für 20€ anbietet.

All das: ein Politikum, auch wegen der Einschränkung des Versammlungsgrundrechts.