Stand 19.02.2016
Grundsätze der Gruppe Demobeoachtung Südwest
1. Demobeobachtung Südwest möchte einen Beitrag zum Schutz und der Weiterentwicklung des Grundrechts auf Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit leisten. Art 8 GG ist einer der wenigen Ansätze radikaler, direkter Demokratie im Grundgesetz. Unser Ziel ist ein Demonstrations- und Versammlungsrecht, das diesen Ansatz des GG zur Korrektur der ansonsten sehr weitgehend auf das Repräsentative reduzierten Demokratie bundesrepublikanischer Prägung stärkt. Angesichts der in den letzten Jahren zu beobachtenden Entwicklung ist an den Brokdorf-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts von 1985 (BVerfGE 69, 315) zu erinnern, in dem unmissverständlich formuliert wird, dass „keinesfalls jedes beliebige Interesse eine Einschränkung dieses Freiheitsrechts [rechtfertigt]; Belästigungen, die sich zwangsläufig aus der Massenhaftigkeit der Grundrechtsausübung ergeben und sich ohne Nachteile für den Veranstaltungszweck nicht vermeiden lassen, werden Dritte im allgemeinen ertragen müssen.“ Die Unruhe, die dieses Stück ungebändigter Demokratie auslösen kann, führt leicht zu einseitigen Darstellungen bei staatlichen Institutionen und großen Teilen der Medien. Diesen wollen wir durch unabhängige, verlässliche Informationen entgegentreten.
2. Demobeobachtung Südwest beobachtet mit diesem Interesse Demonstrationen. Die Gruppe arbeitet unabhängig von staatlichen Stellen und den Veranstalter*innen der Demo bzw. Versammlung (vgl. aber Punkt (b) unter „Vorgehen“). Parteilich sind wir freilich in dem Sinne, dass wir für das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit eintreten und zu seiner ungehinderten Wahrnehmung beitragen wollen. Gegenstand der Dokumentationen und Berichte sind Form und Ablauf der Veranstaltung, möglichst einschließlich des Verhaltens des jeweiligen Amts für öffentliche Ordnung und der Polizei nach der Anmeldung (v.a. bzgl. der Auflagen) und ebenso der vorhergehenden Einstimmung der Öffentlichkeit durch Behörden und Medien. Naturgemäß liegt der Schwerpunkt ggf. auf Einschränkungen des Grundrechts auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit, doch auch positive Beispiele für die Ausübung dieser Rechte verdienen öffentliche Darstellung. Die Berichte sind von der Sichtweise der Polizei/der Ordnungsbehörde und/oder teilnehmender Gruppen unabhängig und tragen so zu einer besseren öffentlichen Wahrnehmung von Versammlungen bei. Zu diesem Zweck trennen die Berichte deutlich zwischen der Darstellung der beobachteten Ereignisse und einer Bewertung des Geschehens im Lichte unseres Grundinteresses nach Punkt (1). Die Berichte enthalten alle von den Beobachter*innen beobachteten und für das Gesamtgeschehen relevanten Ereignisse. Die Text- und Bilddokumentation wird so gehalten, dass sie ggf. nicht in Strafverfahren gegen Demonstrationsteilnehmer*innen als Belastungsmaterial verwendet werden können. Soweit Dokumentationsmaterial einzelne Polizist*nnen belasten kann, wird auch dies nicht veröffentlicht, kann jedoch den Geschädigten zur Verfügung gestellt werden.
3.Neben Berichten über Demonstrationen wird Demobeobachtung Südwest auch anlassbezogen Themen wie Polizeigewalt oder versammlungsrechtlich relevante Gerichtsurteile aufgreifen und in Blog-Posts veröffentlichen. Im Gegensatz zu den Demoberichten sind diese Blogposts nicht zwingend durch mehrere Autor*Innen erarbeitet worden und können auch Einzelmeinungen der Autor*Innen repräsentieren. Diese Berichte sind in diesem Fall mit einem Namenskürzel der Autor*Innen versehen.
4. Die Arbeitsgruppe steht allen an der Thematik Interessierten, die die gemeinsam entwickelten Grundsätze nach Punkt (1) teilen, offen. Das heißt jedoch : Mit Personen und Gruppen, die faschistische, rassistische sowie sonstige fremdenfeindliche oder demokratiefeindliche Anschauungen vertreten, wird die Zusammenarbeit abgelehnt.
5. Vorgehen von Demobeobachtung Südwest:
a. Demobeobachter*innen sind in der Regel durch Kleidung und Ausweise als solche kenntlich.
b. Wenn möglich, wird die Demobeobachtung mit den Anmelder*innen abgesprochen – jedoch auf keinen Fall gegen deren ausdrücklichen Willen durchgeführt.
c. Auch spontane und nicht angemeldete Versammlungen und Aktionen können beobachtet werden.
d. Welche Demos beobachtet werden, entscheidet die Gruppe nach Dringlichkeit und Verfügbarkeit der Demobeobachter*innen.
e. Unabhängig von der persönlichen Meinung zu Anliegen und Formen der jeweiligen Demonstration halten sich die Demobeobachter*innen während der Demo mit Beifallsbekundungen oder Unmutsäußerungen zurück und greifen nicht mit Aufforderungen und Mahnungen an die Demonstranten in das Geschehen ein. Ein erwünschter Nebeneffekt ist, dass ihre Anwesenheit der Polizei bewusst macht , dass sie beobachtet wird.
f. Fotos/Videos, die eventuell für eine strafrechtliche Verfolgung von Demonstrant*innen verwendbar sind, sollten nach Möglichkeit gar nicht erst gemacht werden. Individuen dürfen auf veröffentlichtem Material nicht erkennbar sein, Foto- und Videomaterial wird ausschließlich sicher (verschlüsselt) aufbewahrt.
g. Pressemitteilungen und Berichte werden auf einem gemeinsamen Auswertungstreffen, möglichst im Anschluss an die Demonstration, erstellt und auf der Seite https://demobeobachtung-suedwest.de/category/demoberichte/ veröffentlicht. Beobachtungen anderer werden nur ausnahmsweise und unter Verweis auf diesen Umstand in die Berichte aufgenommen.