Die Bürgerrechtsorganisation „Demobeobachtung Südwest“ widerspricht energisch der Darstellung des Bundesverfassungsschutzes in seinem vorgestern veröffentlichten Bericht, welcher die 519 Ingewahrsamnahmen bei Anti-Nazi-Protesten in Göppingen 2013 einem linksextremistischen Hintergrund zuordnet.
„Wir haben die bunte und friedliche Versammlung von ihrem Start bis zur Einkesselung durch die Polizei begleitet. Zu keiner Zeit kam es zu gewaltsamen Handlungen. Die Intention der Menschen war klar erkennbar in Hör- und Sichtweite gegen den Naziaufmarsch zu protestieren und diesen durch eine Blockade zu verkürzen. Solche Aktionen werden nicht nur regelmäßig von führenden Politikern wie Wolfgang Thierse oder Kurt Beck unterstützt, sie werden auch von immer mehr Gerichten als völlig legal angesehen. Sie sind keine Bedrohung für die freiheitlich demokratische Grundordnung, sondern Ausdruck jener Zivilcourage, die Bundespräsident Joachim Gauck immer wieder einfordert“, so Nero Grünen, der als Demobeobachter vor Ort war.
„Bei den nächsten Protesten gegen den bereits angekündigten Naziaufmarsch 2014 in Göppingen wird sich die Polizei bei ihrer Gefahrenprognose unter anderem auf den Verfassungsschutzbericht berufen, welcher sich wiederum auf die ungerechtfertigt hohe Anzahl an Ingewahrsamnahmen gründet. Dieser Zirkelschluss zwischen Polizei und Verfassungsschutz gefährdet das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit der GegnerInnen des Naziaufmarschs“, so Grünen weiter.
„In anderen Städten machen Polizei und Lokalpolitik nicht den Fehler, NazigegnerInnen als Extremisten mit anderem Vorzeichen abzustempeln. In Mainz und Karlsruhe wurden friedliche Blockaden, die das Aufmarschgebiet der Neonazis erheblich einschränkten, von der Lokalpolitik unterstützt und von der Polizei geduldet. Dies führte nicht nur zu einer Stärkung der Versammlungsfreiheit, sondern hatte auch zur Folge, dass es kaum zu Gewalttaten kam, wie sie in Göppingen angeblich fernab der versuchten Massenblockaden geschehen sind. Wir fordern Polizei, Ordnungsamt und die Stadträte Göppingens daher nachdrücklich auf, ihre Strategie zu überdenken und insbesondere friedliche Proteste nicht zu kriminalisieren“, appelliert Grünen abschließend.
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Demobeobachtung Südwest ist eine 2013 in Karlsruhe und Stuttgart gegründete unabhängige Bürgerrechtsorganisation, die Polizeieinsätze auf Versammlungen beobachtet und bewertet. Unsere Berichte sollen u.a. JournalistInnen als weitere Quelle dienen und stehen unter demobeobachtung-suedwest.de bereit.
Unseren Bericht zur Göppinger Anti-Nazi-Demo finden Sie hier:
https://demobeobachtung-suedwest.de/2013/10/bericht-ueber-die-demonstrationen-von-nazis-stoppen-gegen-die-nazi-demonstration-in-goeppingen
Der Bundesverfassungsschutzbericht 2013 ist hier zu finden:
http://www.verfassungsschutz.de/embed/vsbericht-2013.pdf (s. Seite 160)
Im kürzlich vorgestellten Landesverfassungsschutzbericht werden ebenfalls die Eingekesselten als gewaltorientierte Linksextremisten bezeichnet (Seite 159):
http://www.verfassungsschutz-bw.de/site/lfv/get/documents/IV.Dachmandant/Datenquelle/PDF/Verfassungsschutzbericht_BW_2013_Pressefassung.pdf