Protest gegen NPD

Ausgangssituation

Die NPD hatte für den 28. August 2013 16 Uhr einen Wahlkampfauftritt auf dem Gutenbergplatz in der Karlsruher Weststadt angemeldet. Das Antifaschistische Aktionsbündnis Karlsruhe (AAKA), ein breites Bündnis von u.a. Antifaschistischen Gruppen, Gewerkschaften und Parteien, hatte zu Protesten aufgerufen. Für 15 Uhr hat außerdem die Partei B90 / Die Grünen eine Mahnwache, ebenfalls auf dem Gutenbergplatz, angemeldet.

Verlauf

Der Gutenbergplatz wurde durch Polizeigitter in zwei Hälften getrennt. Die Nordseite, wo die Mahnwache stattfand, war jederzeit frei zugänglich. Die Südseite war an der Sophienstraße von allen Seiten abgesperrt.

Es versammelten sich etwa 300 NazigegnerInnen und etwa 10 NPD-Anhänger.

Beide Veranstaltungen liefen verliefen friedlich. Die Polizei ermöglichte Protest gegen die rechtsextreme Partei in Hör- und Sichtweite. Die eingesetzten Polizist*innen waren zu keiner Zeit behelmt, es wurden keine Ketten gebildet. Deeskalationsteams der Polizei waren jederzeit vor Ort und ansprechbar. Insofern sind wir mit der Polizeitaktik weitgehend zufrieden, haben allerdings zwei Kritikpunkte:

Personenkontrollen und Abfilmen

1) Die Polizei führte auf dem nördlichen Gutenbergplatz Personenkontrollen durch und begründete dies mit §26, Polizeigesetz. Da es sich bei der angemeldeten Mahnwache um eine Versammlung nach dem Versammlungsgesetz handelte ist die Anwendbarkeit dieses Paragraphen fragwürdig Hätte die Polizei Gewalt von Seiten der GegendemonstrantInnen gerechnet, so hätte sie mehr Kräfte an die Absperrung verlegt und diese wären behelmt gewesen.

2) Ferner filmte die Polizei kurzzeitig NeonazigegnerInnen. Dafür gab es keinen Anlass, da die Situation friedlich war. Es gab auch keinerlei Anzeichen, dass es zu Gewalt von Seiten der Gegendemonstrant*nnen hätte kommen können. Dies hätte auch wenig Sinn gemacht, da sich die NPD-Kundgebung vom Polizeigitter aus deutlich außerhalb der Wurfreichweite befand und somit keine Bedrohung durch das Werfen von Gegenständen bestand. Dem Abfilmen fehlte damit jede Rechtsgrundlage. Das Deeskalationsteam behauptete, es würden keine Videoaufzeichnungen gemacht. Unser Material zeigt eindeutig, wie ein Polizist gezielt seine Kamera auf die NeonazigegnerInnen richtet und dabei auf das Display seiner Kamera schaut. Der Beamte wurde außerdem später beim Sichten seines Materials beobachtet.

Selbst wenn die Kamera nicht im Aufnahmemodus war, so mussten die NeonazigegnerInnen den Eindruck bekommen, gefilmt zu werden. Dies alleine würde für eine Rechtswidrigkeit ausreichen.

Schon 1983 betonte das Bundesverfassungsgericht im sog. Volkszählungsurteil, dass wer damit rechnet, dass die Teilnahme an einer Versammlung behördlich registriert wird, möglicherweise auf die Ausübung seines Grundrechts verzichten würde. 2010 forderte es für Durchsuchungen im Vorfeld von Demonstrationen konkrete und nachvollziehbare Anhaltspunkte statt bloßen Verdachtsmomenten oder Vermutungen (1BvR2636/04).

Das Verwaltungsgericht Münster ergänzte in Bezug auf Videoaufzeichnungen: „Wer weiß, dass er als Versammlungsteilnehmer am Monitor überwacht wird, wer jederzeit ohne Kenntnis des Zeitpunkts befürchten muss, dass er herangezoomt und damit als Individuum registriert wird, wer nicht wahrnehmen kann, wann bei der aufnahmebereiten Kamera beabsichtigt oder sogar versehentlich der Aufnahmeknopf betätigt wird, wird sich daher […] möglicherweise anders verhalten als derjenige, der lediglich durch Polizeibeamte […] beobachtet wird.“ VersammlungsteilnehmerInnen könnten sich, so das Gericht weiter, „durch die Kamerapräsenz […] veranlasst sehen, nicht oder nicht in vollem Umfang auszuüben“. (Az.: 1 K 1403/08)

Wenn man die Mordserie des NSU einerseits und die rassistische Hetze gegen Asylbewerber, die nicht nur in Berlin-Hellersdorf auf fruchtbaren Boden fällt, andererseits betrachtet, so sollten sich Polizei und Politik überlegen, ob sie Menschen durch unnötige und einschüchternde Maßnahmen davon abhalten wollen, ihr Demonstrationsrecht gegen rassistische Hetze in vollem Umfang auszuüben.

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