Gegendemonstration gegen AfD-Kundgebung auf dem Marktplatz in Stuttgart am 12.11.2022 verlief ohne Zusammenstöße

Aufgerufen hatte ein breites Bündnis gegen eine als größere Kundgebung angekündigte Veranstaltung der AfD auf dem Stuttgarter Marktplatz. Der Protest gegen die AfD sollte um 14:30 am Mahnmal (neben dem Alten Schloss) beginnen.

Der Marktplatz war mit Hamburger Gittern unterteilt: Mehr als die Hälfte für die AfD-Kundgebung, ein breiter Streifen für die Polizei. Dort standen sehr prominent zwei Wasserwerfer (die Kundgebungsfläche für die AfD hinter ihnen), auf die nordwestliche Seite ausgerichtet. Die Geschäfte dort und auf der nordöstlichen Seite blieben geöffnet, der Zugang blieb (getrennt für je eine Seite) offen und wurde auch von Passanten und Einkaufenden rege genutzt. Die Polizei war auch sonst äußerst präsent; eine unübersehbare Zahl von Mannschaftswagen, auch Berittene; nur die Hundestaffel haben wir nicht gesehen. Das „Betreuungsverhältnis“ war, beide Seiten der Kundgebungen gerechnet, wohl 1:2 oder mehr. Dabei schien die Sichtbarkeit dieser vielen Polizist:innen sorgfältig auf ein Minimum reduziert worden zu sein. Vor den Wasserwerfern z.B. standen kaum mehr als ein Dutzend „Kräfte“.

Auf dem Marktplatz versammelten sich allmählich die Teilnehmer:innen der AfD-Kundgebung, wohl kaum mehr als 300. Am Rande des Marktplatzes erschienen einige Hundert Teilnehmende der Gegendemo, hielten Transparente und riefen Parolen in Richtung AfD-Kundgebung. Von dort wurde ein Banner mit gegen die Gegendemonstrant:innen gerichtetem Text den Gittern entlang getragen. Kundgebung und Gegendemo in Sicht- und Hörweite also. Durchsagen der Polizei beanstandeten, dass viele Demonstrant:innen FFP 2-Masken o.ä. trugen, das sei Vermummung und somit ein Straftatbestand. Das löste kaum Verhaltensänderungen aus, die Polizei fing gut sichtbar an zu videografieren, doch sonst gab es keine Konsequenzen.

Gegen Ende der AfD-Kundgebung teilten sich die Gegendemonstrant:innen in 2 Gruppen auf; Ziel war, den Abzug der Kundgebungsteilnehmer, mindestens aber den des Sattelzugs mit der Rednertribüne zu behindern. Letzteres gelang zeitweise: Am Ausgang des Marktplatzes über die Sporerstraße bildete sich in Höhe der Markthalle eine Blockadekette (ca. 50 Personen), umgehend ihrerseits auf beiden Seiten von je einer soliden Polizeikette blockiert. Es folgten mehrere Durchsagen der Polizei, zuerst mit der Aufforderung, die Straße freizugeben, dann wurde mitgeteilt, die Polizei betrachte die Demo dort nicht mehr als politische Versammlung, sondern als eine Blockade (was implizit hieß, dass alle Beteiligten mit Anzeigen wegen Nötigung zu rechnen hätten), dann wurden Personalienfeststellungen angekündigt. Schließlich kam dann das Angebot, die Angesprochenen könnten den Kessel in kleinen Gruppen verlassen. Die in der Sporerstraße nahmen dieses Angebot nicht an und ließen sich dann einzeln zwecks Personalienfeststellung wegführen, was insgesamt dann etwa 1 Stunde dauerte. Eine 2. Gruppe von Gegendemonstrant:innen, die an anderer Stelle [wo?] den Sattelzug aufzuhalten versucht hatten, entschieden anders und wählten diesen Ausweg.

Diese letzte Phase der Demonstrationen hätte schon eskalieren können. Die Polizei hätte die Blockade leicht durchbrechen können, freilich nur mit Schlagstock und/oder Reizgas. Mehrfach beobachteten wir, wie Polizisten auf rechte Provokateure zugingen und sie – mit Erfolg – zum Mundhalten oder Weitergehen aufforderten. Während der Kundgebung hatten sich Gegendemonstrant:innen am Rande des Kundgebungsgeländes der AfD aufgebaut; dort schien, soweit von Weitem zu erkennen, das Anti-Konflikt-Team der Polizei sie nach einiger Zeit dazu zu bewegen, wegzugehen, so dass ein evtl. Konflikt mit AfD-Ordnern nicht entstehen konnte.

Der Gesamteinsatz schien eine zweifache Wirkung zu beabsichtigen. Zum einen wirkte er massiv drohend, wobei die Polizei wohl nicht davon ausging, alle Drohungen wahr machen zu müssen (die Wasserwerfer hätten aus ihrer Position heraus kaum zielführend eingesetzt werden können). Andererseits schien sie sichtlich bemüht, im Verlauf des Geschehens Eskalation zu vermeiden. Wie weit Erkenntnisse aus Videografie und Personalienfeststellung zu nachträglicher Repression in Form von Anzeigen wegen Vermummung und/oder Nötigung verwendet werden, ist abzuwarten.

Off-Topic – heute ist Presse- statt Versammlungsfreiheit im Fokus

Vorwort

Am Samstag den 30.4.2016 gab es anlässlich des AfD-Bundesparteitags in Stuttgart vielfältige Gegenproteste. Wir waren mit insgesamt vier Beobachter*innen vor Ort. Wir haben gesehen wie Polizeiketten quer durch eine angemeldete Demonstration liefen und Demoteilnehmer zwar auf die Demonstration, aber nicht wieder raus gelassen wurden. Dies war also ein Polizeikessel um eine laufende, angemeldete und zu diesem Zeitpunkt nicht aufgelöste Demonstration und somit nach unserer Beurteilung als unverhältnismäßige Einschränkung der Versammlungsfreiheit zu werten. Wir haben einen Demonstrationszug in einer Art Wanderkessel erlebt. Wir haben gesehen wie die Polizei Demonstranten einzeln aus einem Kessel abgeführt hat und dass das Zusammenspiel von Bundespolizei, Bayerischem USK, Reutlinger Polizei und BFE-Einheiten aus BaWü oft einen unkoordinierten Eindruck machte. Wir haben aber viele der Dinge, die sich laut anderer Berichte offenbar abgespielt haben, schlichtweg nicht mitbekommen – auch nicht dass viele hundert Demonstranten ihrer Freiheit beraubt wurden. Aufgrund des weitläufigen Geländes waren wir offensichtlich zu oft zur falschen Zeit am falschen Ort.
Daher werden wir zu diesem Tag keinen regulären Bericht veröffentlichen.
In diesem Artikel soll es um etwas ganz anderes gehen.
Wir haben auch nicht direkt mitbekommen wie und warum vier Journalisten von der Polizei festgesetzt wurden. Da einer unserer Demobeobachter zwei dieser Journalisten kennt, geben wir hier den Beiden Gelegenheit den Verlauf 30.04.2016, im Rahmen eines Interviews zu schildern.