Kundgebung „Solidarität mit den Opfern der israelischen Apartheidpolitik“ in Stuttgart am 29.5.2021 (15:00-17:00 Uhr)

Nachdem sich in den letzten Wochen Konflikte in Israel und den besetzten Gebieten zugespitzt hatten und dann Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen auf Ziele in Israel begann und Israel seinerseits mit massiven militärischen Einsätzen auf Ziele im Gazastreifen mit vielen zivilen Opfern reagierte, kam es u.a. auch in Deutschland zu Solidaritätskundgebungen mit den Palästinensern und auch zu anti-israelischen Demonstrationen, auch vor Synagogen. Wo dabei die Grenze zwischen Kritik am Handeln des Staates Israel einerseits und Antisemitismus andererseits zu ziehen ist, ist keine einfache Frage (und v.a. keine, die wir hier erörtern können). Weil nicht auszuschließen war, dass auch dieser Kundgebung ähnliche Auseinandersetzungen folgen könnten, schien es uns wichtig, da zu sein und hinzuschauen. Da in diesen Auseinandersetzungen die Ausübung des Rechts auf Versammlungen nach Art. 8 GG oft mit den Inhalten (Parolen, Formulierungen auf Schildern u.ä.) in Verbindung gebracht wird, gehen wir mehr als sonst auf diese ein.

Die Veranstalter rechneten nicht mit sehr großem Zulauf: Die Bühne war klein und die Lautsprecheranlage entsprechend dimensioniert. Auf dem Platz waren Kreuze in corona-gerechten Abständen auf dem Pflaster markiert, damit die Teilnehmenden sich entsprechend verteilen konnten. Es kamen wohl kaum mehr als 150 Menschen. Gegner des Anliegens der Kundgebung waren nicht aufgetaucht. Die Polizei war mit ca. 6 Fahrzeugen und dem entspr. Kräften da. Es kam zu keinerlei Konflikten mit den Demonstrierenden.

Diese hatten viele Palästinenserfahnen dabei, es gab Plakate, die die Folgen der israelischen Angriffe auf den Gazastreifen zeigten, die Namen der dabei (lt. Redebeiträgen) getöteten 75 palästinensischen Kindern wurden verlesen. Eine Schauspielerin las Gedichte eines palästinensischen Dichters. Die Redebeiträge stellten die jüngsten Ereignisse einerseits in den Zusammenhang der Nakba und deren Fortsetzung bis heute und sahen die Ursachen auch in der Enttäuschung über die Ergebnislosigkeit des in den 90-er Jahren versuchten Friedensprozesses. Man sah das praktische Verschwinden der politischen Linken aus der israelischen Politik als Grund, warum Palästinenser an einer Lösung des Konflikts verzweifeln. Die Politik des Staates gegenüber arabischen Bewohnern innerhalb und außerhalb des Staatsgebiets wurde als Apartheid bezeichnet. Viele einzelne Teilnehmende hatten eigene Schilder dabei, die auf einem Schild Gerechtigkeit für Palästinenser und Ablehnung von Antisemitismus bekundeten, oder aus den Worten bestanden: „I see humans but no humanity.“ Es gab freilich auch die Parole „free, free, free, from the river to the sea.“

Wir sehen in all dem die glaubhafte Position, staatliches Handeln in Israel und dessen unkritische Unterstützung in Europa zu kritisieren. Den Status der Palästinenser in Israel als „Apartheid“ zu bezeichnen wirft der israelischen Regierung natürlich ethnische Diskriminierung vor; er rückt die Verhältnisse in Israel in die Nähe derer im früheren Südafrika und wirkt so provozierend polemisch. Doch die Kritik an dem rechtlichen und faktischen Status der Palästinenser in Israel und den besetzten Gebieten insgesamt zurückzuweisen, indem man sie antisemitisch nennt, wäre ein Ausdruck der Verweigerung der Diskussion über die Realität.

Kundgebung „KSK abschaffen“ in Stuttgart am 27.2. ca. 12.30 – 13.10

OTKM Stuttgart, IMI, Die Linke u.a. hatten zu einer Kundgebung mit dieser Forderung, nämlich das Kommando Spezialkräfte in Calw aufzulösen, aufgerufen. Vorausgegangen waren zahlreiche Medienberichte über Verbindungen dieser Einheit zu rechtsextremen Organisationen einerseits und zahlreichen Waffendiebstählen andererseits. Besondere Empörung hatte die Anweisung des Kommandeurs hervorgerufen, dass Soldaten die Möglichkeit gegeben wurde, Munition und Waffen anonym abzugeben, womit eine Strafverfolgung unmöglich gemacht wurde.

Am Kundgebungsort versammelten sich etwa um 12.30 einige Dutzend Menschen. Vertreter*innen der unterstützenden Organisationen hielten hielten Reden an die Teilnehmenden und Passanten. Polizei war nur für einen Teil der Kundgebungszeit mit 4 Personen anwesend. Es gab keinerlei Störungen der Veranstaltung.

Im späteren Verlauf des Nachmittags waren Kundgebungen in Schorndorf angekündigt, einerseits der AfD und andererseits von deren Gegnern. Dort war Demobeobachtung Südwest nicht dabei.

Kundgebung und Demo am 25.7.2020 in Stuttgart: „0711 united against racism“

Wir beobachteten die Demonstration 0711 united against racism.

Am Ort der Auftaktkundgebung versammelten sich ca. 250 Teilnehmende (weniger als angekündigt). Nutzung der Rasenfläche für die Teilnehmenden wurde einvernehmlich geregelt, eben so eine Vereinfachung der Demoroute (über die Bolzstr. zur Theodor-Heuß-Str.). Vom Lautsprecherwagen aus wurden Passanten mehrfach direkt auf das Anliegen der Demonstrierenden angesprochen; viele blieben zuhörend und beobachtend stehen, wir hörten und sahen keine feindseligen Reaktionen.

Vor dem Polizeirevier in der Theodor-Heußstraße fand eine Zwischenkundgebung statt: Schilder mit Namen von Menschen, von denen die Veranstalter berichteten, dass sie bei Polizeieinsätzen oder in Polizeigewahrsam ums Leben kamen, wurden auf dem dortigen breiten Mittelstreifen in den Boden gesteckt (Oury Jalloh u.v.a.).

Auch dies verlief ohne Beeinträchtigung. Die Schlusskundgebung fand dann nicht erst auf dem Wilhelmsplatz statt, sondern schon am oberen Ende der Königstraße (ca. 18.00).

Nach unseren Beobachtungen gab es keinerlei Konflikte zwischen Veranstaltern und Teilnehmern einerseits und der Polizei andererseits, auch nicht mit einer kleinen Gruppe, der offensichtlich die Freilassung von Öcalan neben dem Hauptanliegen der Demo oder als Teil desselben wichtig war.

Die Polizei trat in Zahl und Ausrüstung zurückhaltend auf und machte auch kein Aufhebens von sehr allgemein polizeikritischen Meinungsbekundungen – eine u.E. professionell richtige Haltung.

Pressemitteilung: Demonstrationsbeobachtungsgruppen koordinieren bundesweit rechtliche Schritte gegen Behinderung ihrer Arbeit

Mit insgesamt fünf Klagen zu vier Geschehnissen gehen Demonstrations- und Polizeibeobachtungsgruppen aktuell gegen die zunehmende Behinderung ihrer Arbeit durch Polizeieinsatzkräfte vor.
Verwaltungsgerichtliche Klageverfahren wurden vor den Verwaltungsgerichten in Stuttgart, Karlsruhe, Göttingen und Kassel erhoben.
Die fünf Klägerinnen und Kläger im Alter von 32 bis 76 Jahren machen geltend, im Zusammenhang mit der Beobachtung von verschiedenen Polizeieinsätzen in ihrer Arbeit behindert worden zu sein.
Ein Demobeobachter der Gruppe „Demobeobachtung Südwest“ filmte am 11.05.2019 in Pforzheim Rangeleien und Schlagstockeinsätze durch Bundespolizisten gegen eingekesselte Demonstrationsteilnehmer.
Mit der Behauptung, dass es sich nicht um Demonstrationsteilnehmer sondern um Straftäter handele, unterbanden die Polizeieinsatzkräfte das Filmen, nahmen die Personalien des Beobachters auf und erteilten ihm einen Platzverweis.
Am 24.05.2019 verfügten Polizeibeamte der Göttinger Polizeidirektion eine Personalienfeststellung gegenüber einer Beobachterin der Göttinger Gruppe „Bürgerinnen und Bürger beobachten Polizei und Justiz“. Die 32-jährige hatte polizeiliche Maßnahmen gegenüber Teilnehmern einer fridays for future-Demonstration in Göttingen dokumentiert. Zwei weitere Kläger der Gruppe „Demobeobachtung Südwest“ waren nur einen Tag später, am 25.05.2019 trotz ihrer Kennzeichnung als Demonstrationsbeobachter durch die Einsatzkräfte in Stuttgart nach einer Versammlung zu Versammlungsteilnehmern erklärt, festgehalten, fotografiert und ihre Daten in Polizeidatenbanken gespeichert worden. Am 20.07.2019 dokumentierte ein Mitglied der Göttinger Gruppe „Bürgerinnen und Bürger beobachten Polizei und Justiz“ polizeiliche Maßnahmen gegenüber Demonstrierenden vor dem Gebäude des Polizeipräsidiums Nordhessen in Kassel.
Unter Androhung der Beschlagnahme der Kamera wurde der 53-jährige Polizeibeobachter gezwungen, die Dokumentation zu beenden und seine Personalien an die Beamten herauszugeben.
Mit Beschluss vom 25.07.2015 hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) unter dem Az. 1 BvR 2501/13 die Rechte der unabhängigen Demonstrations- und Polizeibeobachtung gestärkt. Hiernach besteht das Recht, frei von staatlichen Eingriffen wie Personalienfeststellungen oder Platzverweisen das Verhalten von Polizeikräften im Zusammenhang mit Versammlungen zu beobachten und ggf. Beweise für Fehlverhalten von Polizeibeamten auch in Bild und Ton zu dokumentieren.
Im November letzten Jahres trafen sich Polizei- und Demobeobachtungsgruppen aus Berlin, Baden-Württemberg, Niedersachsen und NRW zu einem bundesweiten Vernetzungstreffen. Sie weisen entschieden die stetigen Zunahmen der Einschränkungen ihrer wichtigen Arbeit zurück.
Ihre Arbeit sei für einen Rechtsstaat unerlässlich, da unrechtmäßiges Polizeihandeln regelmäßig nur durch Vorlegen von Filmaufnahmen gerichtlich verfolgt und aufgeklärt wird.
„Die beklagten Maßnahmen sind nur Beispiele für eine zunehmende Praxis von Polizeieinsatzkräften, in Widerspruch zu der Entscheidung des BVerfG unser Recht auf eine unabhängige Beobachtung zu beschränken“ kritisiert Roland Laich von der Gruppe „Bürgerinnen und Bürger beobachten Polizei und Justiz“, der die Entscheidung des BVerfG vom 25.07.2015 erstritten hatte, die aktuelle Entwicklung.
Zuletzt hatte auch das Landgericht Kassel mit Beschluss 23.09.2019 (Az.: 2 Qs 111/19) eine Personalienfeststellung für rechtswidrig erklärt, die mit der absurden polizeilichen Begründung erfolgte, die Dokumentation polizeilicher Maßnahmen wäre die Aufzeichnung des vertraulich gesprochenen Wortes und damit eine Straftat nach § 201 StGB. „Offenbar muss der Polizei die Bedeutung der Verfassungsgerichtsentscheidung durch weitere Gerichtsentscheidungen verdeutlicht werden“ so Laich weiter zu dem Grund der weiteren Klageerhebungen.
Kurze Zusammenfassungen der streitigen polizeilichen Maßnahmen befinden sich in der Anlage zu dieser Mitteilung.
Für Rückfragen stehen die Rechtsanwälte Sven Adam, Nils Spörkel und Rasmus Kahlen zur Verfügung, die mit der Klageerhebung beauftragt wurden. Diese können auch Kontakt zu den Klägerinnen und Klägern vermitteln.

Bericht: Proteste gegen AfD-Kundgebung in Stuttgart am 8.12.2018

„Stuttgart gegen Rechts“ und andere Gruppen hatten zu einer Gegenkundgebung und Protesten gegen eine auf dem Kronprinzplatz angekündigten AfD-Kundgebung zum UN-Migrationspakt aufgerufen.

Die Gegenkundgebung auf dem Rotebühlplatz, wenige hundert Meter von der Kundgebung der AfD entfernt, fand ab 12:30 Uhr mit mehreren Hundert TeilnehmerInnen statt. Der Versammlungsort der AfD war für eine massive Absperrung vorbereitet: Hamburger Gitter in zwei Reihen, dazwischen Dutzende von Polizeifahrzeugen und zwei Wasserwerfer. Später wurde auch die Reiterstaffel eingesetzt. Noch vor Beginn der AfD-Kundgebung zogen die meisten TeilnehmerInnen der Gegenkundgebung in einem spontanen Zug dorthin und blieben vor den Absperrgittern stehen. Die Protestierenden versuchten an anderen Stellen näher an die AfD-Kundgebung heranzukommen und später ihren Protest auch bei der Abreise der AfDler hörbar zu machen.

Hieraus entwickelte sich ein wohl für alle, auch die Polizei, unübersichtliches Hin und Her von Gruppen von DemonstrantInnen und der Polizei. Dabei setzte die Polizei allein nach unserer Beobachtung sieben DemonstrantInnen fest, insgesamt mögen es doppelt so viele gewesen sein. Nur in einem Fall konnten wir den Anlass erkennen: Der Versuch, mit einem Transparent die andere Seite der vierspurigen Theodor-Heuss-Straße zu erreichen und so vielleicht den Verkehr zum Halten zu bringen. Dabei wurde starker unmittelbarer Zwang eingesetzt: Ein Polizeibeamter schlug mit der Faust zu, der junge Mann wurde gegen eine Wand geschleudert.

Den GegendemonstrantInnen konnten ihren Protest gegen die AfD und den allgemeinen „Rechtsruck“ hör- und sichtbar zu machen, vor allem der Öffentlichkeit, aber auch den ca. 40-75 (nach Presseberichten) AfD-Anhängern.

Wir kritisieren allerdings insbesondere die Brutalität der Polizisten beim Aufhalten der Demonstranten an der Theodor-Heuss-Straße. Die Situation war zu diesem Zeitpunkt im Allgemeinen entspannt. Es bestand nicht die Gefahr, dass es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Lagern kommen könnte. Ziel der Beamten konnten es also nur gewesen sein, die räumliche Trennung strikt aufrecht zu erhalten und auch keine kleine Gruppe in die Nähe zu lassen, und außerdem dem fließenden Verkehr zu seinem Recht zu verhelfen. Für beide Ziele ist ein Faustschlag nicht zu rechtfertigen, es hätte weitaus mildere Mittel gegeben.

Ob es sich nun um einen gewaltaffinen Beamten handelte, ob er eine politische Botschaft senden wollte oder ob er vielleicht aufgrund eines pauschalen Feindbildes die Situation falsch eingeschätzt hat, jedenfalls haben solche Aktionen für alle DemonstrantInnen gegen Rechts eine einschüchternde Wirkung, ebenso wie die sichtbare Drohung mit Wasserwerfern. Da solche Gewaltausbrüche außerdem geeignet sind, Situationen eskalieren zu lassen, sollte die Stuttgarter Polizei schon aus eigenem Interesse dieses Verhalten ihrer BeamtInnen verhindern.

Bericht über die Demo STOP CETA TTIP am 17.9.2016 in Stuttgart

(Beginn der Beobachtung: 11:24, Ende der Beobachtung: 16:10)

Die Demonstration, getragen von einem breiten gesellschaftlichen Spektrum, verlief  ruhig und durchwegs friedlich, ohne größere Zwischenfälle.
Die Tatsache dass der „antikapitalistische Block“ von Beginn bis Ende des Demonstrationszuges fast durchgängig von der Polizei gesäumt wurde, war diskriminierend und ist deswegen zu beanstanden. Diese Polizeitaktik kam dem zu Recht umstrittenen“Wanderkessel“ nahe. Teil dieses diskriminierenden Verhaltens ist auch das ständige, über nachvollziehbare Anlässe weit hinausgehende Filmen.

 

Off-Topic – heute ist Presse- statt Versammlungsfreiheit im Fokus

Vorwort

Am Samstag den 30.4.2016 gab es anlässlich des AfD-Bundesparteitags in Stuttgart vielfältige Gegenproteste. Wir waren mit insgesamt vier Beobachter*innen vor Ort. Wir haben gesehen wie Polizeiketten quer durch eine angemeldete Demonstration liefen und Demoteilnehmer zwar auf die Demonstration, aber nicht wieder raus gelassen wurden. Dies war also ein Polizeikessel um eine laufende, angemeldete und zu diesem Zeitpunkt nicht aufgelöste Demonstration und somit nach unserer Beurteilung als unverhältnismäßige Einschränkung der Versammlungsfreiheit zu werten. Wir haben einen Demonstrationszug in einer Art Wanderkessel erlebt. Wir haben gesehen wie die Polizei Demonstranten einzeln aus einem Kessel abgeführt hat und dass das Zusammenspiel von Bundespolizei, Bayerischem USK, Reutlinger Polizei und BFE-Einheiten aus BaWü oft einen unkoordinierten Eindruck machte. Wir haben aber viele der Dinge, die sich laut anderer Berichte offenbar abgespielt haben, schlichtweg nicht mitbekommen – auch nicht dass viele hundert Demonstranten ihrer Freiheit beraubt wurden. Aufgrund des weitläufigen Geländes waren wir offensichtlich zu oft zur falschen Zeit am falschen Ort.
Daher werden wir zu diesem Tag keinen regulären Bericht veröffentlichen.
In diesem Artikel soll es um etwas ganz anderes gehen.
Wir haben auch nicht direkt mitbekommen wie und warum vier Journalisten von der Polizei festgesetzt wurden. Da einer unserer Demobeobachter zwei dieser Journalisten kennt, geben wir hier den Beiden Gelegenheit den Verlauf 30.04.2016, im Rahmen eines Interviews zu schildern.

Bericht zu den Bildungsplandemos am 28.02.2016 in Stuttgart

Am 28.02.2016 fanden Demonstrationen für- bzw. gegen den grün-roten Bildungsplan statt. Dabei geht es hauptsächlich um die Frage, ob im Unterricht ein traditionelles Familienbild (Vater, Mutter und Kinder) oder ein inklusiveres Familienbild, welches beispielsweise auch Regenbogenfamilien und Patchwork-Familien mit einschließt, thematisiert werden sollten.

Verschärft wurde dieser Konflikt durch die Ansicht vieler BildungsplangegnerInnen, der neue Bildungsplan schwäche die traditionelle Familie, fördere Pädophilie oder erziehe Kinder zur Homosexualität.

Viele BildungsplanbefürworterInnen werfen den GegnerInnen Homophobie, also eine Form des gruppenbezogenen Menschenhass, und die Tolerierung von rechtsextremen Versammlungsteilnehmern vor. Nach übereinstimmenden Aussagen mehrerer KennerInnen der rechtsextremen Szene vor Ort nahmen in der Tat Neonazis, insbesondere der „Identitären Bewegung“, teil. Sie waren allerdings nicht ohne Weiteres durch Flaggen oder ähnliches als Neonazis erkennbar.

Die BildungsplanbefürworterInnen trafen sich ab 12 Uhr auf dem Schlossplatz, die GegnerInnen ab 14 Uhr auf dem Schillerplatz.

Demobeobachtung Südwest war mit vier BeobachterInnen vor Ort.

Vorkontrollen

Vorkontrollen
Vorkontrollen

Alle Menschen, die die Polizei ihrem Aussehen nach der Demo für den Bildungsplan zugerechnet haben, wurden an verschiedenen Kontrollpunkten rund um den Schlossplatz kontrolliert. Die mutmaßlichen VersammlungsteilnehmerInnen wurden abgetastet, Rucksäcke wurden durchsucht und teilweise Personalien kontrolliert. Es wurden Fahnenstangen und Generatortreibstoff beschlagnahmt. Letzterer wurde nach Verhandlungen wieder frei gegeben.

Proteste am Schillerplatz und an der Wegstrecke

Es gab schon während der Anreise der BildungsplangegnerInnen lautstarke Proteste rund um den Schillerplatz. Es kam zu verbalen Auseinandersetzungen, es wurde Konfetti geworfen und zeitweise auch der Nordeingang blockiert. Punktuell kam es zu Gerangel. Tätliche Übergriffe auf Bildungsplangegner haben wir nicht beobachtet. Die Bildungsplangegner mussten zwar beim Einlass zum Schillerplatz Verzögerungen hinnehmen oder auf andere Eingänge ausweichen, letztlich konnten sie jedoch vollumfänglich ihr Recht auf Versammlungsfreiheit ausüben.

Beim Durchgang zum Schillerplatz trafen Gegner und Befürworter aufeinander.
Beim Durchgang zum Schillerplatz trafen Gegner und Befürworter aufeinander.

Allerdings wurden nach Medienberichten drei Busse der Bildungsplangegner mit Steinen beworfen und beschädigt.

Das ebenfalls versammlungsrechtlich geschützte Anliegen der BildungsplanbefürworterInnen, in Hör- und Sichtweite ihrer Adressaten zu protestieren, wurde von der Polizei nur teilweise gewährleistet. Rund um den Schillerplatz gab es mit einer Ausnahme keine Probleme, höchstens kleinere Schubsereien im dichten Gedränge. Am Nordeingang kam es zu einem Pfeffersprayeinsatz mit einigen Verletzten und einer Ingewahrsamnahme

Die BildungsplangegnerInnen wurden nach ihrer Auftaktkundgebung als Demonstrationszug durch den oberirdischen Teil der Stadtautobahn (Hauptstätter Straße) geleitet, wendeten auf Höhe der Torstraße und liefen auf der anderen Seite der Hauptstätter Straße zurück zum Schillerplatz.

Während dieser Demo der Bildungsplangegner war an manchen Stellen Protest unmittelbar an der Wegstrecke möglich und verlief friedlich, an anderen Stellen schritt die Polizei jedoch mit massivem Einsatz von Pfefferspray und Schlagstöcken ein, insbesondere an der Torstraße.

Vorfälle an der Torstraße / Hauptstätter Straße / Wilhelmsplatz

Größere Gruppen von GegendemonstrantInnen versammelten sich sowohl auf dem Wilhelmsplatz, kurz darauf auch an der Torstraße. Zu diesem Zeitpunkt war die Demo der BildungsplangegnerInnen noch nicht in Sichtweite. Der Ausgang der Torstraße wurde durch eine Polizeikette blockiert. Auch zwischen Wilhelmsplatz und Hauptstätter Straße befand sich Polizei.

Um 15:38 Uhr durchbrachen GegendemonstrantInnen die Polizeikette in der Torstraße. Dabei kam es zu Verletzten auf beiden Seiten. Dieser Vorfall stellte den einzigen von uns beobachteten Fall von Gewalt seitens der Gegendemonstranten dar. Die Polizeikette wurde innerhalb von Sekunden wiederhergestellt.

Gleichzeitig durchflossen einige Gegendemonstranten die lockere Polizeikette am Wilhelmsplatz.

In den darauf folgenden Minuten machte die Polizei Jagd auf alle GegendemonstrantInnen, die sich auf der Hauptstätter Straße aufhielten, obwohl keine Bedrohung für die PolizeibeamtInnen oder die Demo gegen den Bildungsplan vorlag, denn sie war zu diesem Zeitpunkt noch mehrere hundert Meter entfernt.

Um 15:40 Uhr traf die Reiterstaffel der Polizei ein und ging mit Pfefferspray gegen Kleingruppen und einzelne Personen ohne für uns ersichtlichen Grund vor. Um 15:41 Uhr sprühte ein Reiter gezielt und massiv Pfefferspray auf eine Frau, die sich gerade schlendernd vom Geschehen wegbewegte, offensichtlich keine Bedrohung darstellte und von der Attacke sichtlich überrascht wurde. Sie ging durch die Attacke zu Boden und wurde danach ein zweites Mal vom gleichen Reiter mit Pfefferspray attackiert.

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Um 15:42 Uhr setzte der selbe Reiter vor der Metzgerei Ergenzinger abermals Pfefferspray ohne ersichtlichen Grund ein.

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Um 15:43 Uhr räumte die Polizei die Kreuzung von verbliebenen ProtestiererInnen durch sich bewegende Polizeiketten. Dabei setzten sie kein Pfefferspray oder Schlagstöcke mehr ein.

Um 15:45 Uhr traf ein Krankenwagen ein, den Demosanitäter für Verletzte zur Richtstraße gerufen hatte. Der Krankenwagen parkte an der Richtstraße.

Um 15:46 Uhr trat ein Polizist an den geparkten Krankenwagen heran. Eine Minute später fuhr der Krankenwagen quer über die Kreuzung und versorgte stattdessen einen verletzten Polizisten.

Um 15:48 Uhr traf ein weiterer Krankenwagen ein, der zu dem verletzten Polizisten fuhr und dann von der Polizei zu den verletzten Demonstranten an der Richtstraße umgeleitet wurde.

Um 15:53 Uhr versuchte ein Demosanitäter in der Torstraße mit der Polizei über das Durchlassen eines Krankenwagens in Richtung Torstraße zu verhandeln. Dort gab es sehr viele Verletzte, darunter drei Verletzte mit stark blutenden Kopfverletzungen. Dies wurde von der Polizei verweigert. Es wurde erneut Pfefferspray gegen DemonstrantInnen eingesetzt, die lautstark, aber friedlich gegen diese Entscheidung protestierten.

Um 15:53 Uhr kam die Demospitze der BildungsplangegnerInnen an der Kreuzung an.

Der Protest gegen diese Demo verlief an der Kreuzung friedlich, im weiteren Verlauf der Hauptstätter Straße mischten sich auch Gruppen von Gegendemonstranten unter die Demo, ohne dass es zu Gewalt oder auch nur Behinderungen kam.

Über weite Teile des Weges wurden Bildungsplanbefürworter und Gegner nicht getrennt, ohne das es zu Gewalt kam
Über weite Teile des Weges wurden Bildungsplanbefürworter und Gegner nicht getrennt, ohne das es zu Gewalt kam

Vorfälle am Hauptbahnhof

Um 16:55 Uhr versammelten sich die meisten BildungsplanbefürworterInnen abermals an ihrer Bühne auf dem Schlossplatz. Vier Polizeibeamte durchquerten die Versammlung, was Protest auslöste, der schließlich zum Rückzug der Polizei aus der Versammlung führte.

Um 17 Uhr formierte sich eine Spontandemo und machte sich auf den Weg zum Hauptbahnhof. Sie kam ohne Zwischenfälle um 17:10 Uhr am Hauptbahnhof an und wurde von den VeranstalterInnen aufgelöst.

Um 17:25 Uhr wurden zwei BeobachterInnen im Hauptbahnhof von einer Familie angesprochen, die in der Unterführung offensichtlich Pfefferspray eingeatmet hatte. Nach Zeugenaussagen gab es in der Unterführung einen Zusammenstoß von mutmaßlichen Antifas, mutmaßlichen Neonazis und der Polizei. Rettungswagen, Bevölkerungsschutz und die Feuerwehr trafen am Bahnhof ein, mussten allerdings nicht aktiv werden.

Bewertung:

Zunächst kritisiert Demobeobachtung Südwest die Vorkontrollen durch die Polizei. Vorkontrollen haben eine einschüchternde und abschreckende Wirkung und stellen somit einen massiven Eingriff in das Recht auf Versammlungsfreiheit dar. Die Konfiszierung von Fahnenstangen war willkürlich, zumal es keine entsprechenden Auflagen gab.

Während der Demonstration am Schillerplatz filmte die Polizei über sehr lange Zeiträume aus verschiedenen Perspektiven (Kamerawagen, Handkameras) ohne ersichtlichen Grund. Eine solch umfängliche Überwachung von Demonstrationen stellt einen unzulässigen Eingriff in die Versammlungsfreiheit dar. Entsprechende Urteile sind hier zu finden.

Besonders kritisieren wir den  Einsatz an der Kreuzung Torstraße / Hauptstätter Straße / Wilhelmsplatz.

Wegen des bisherigen Demonstrationsverlaufs und der Tatsache, dass die Demo der BildungsplangegnerInnen noch weit entfernt war, konnte die Polizei maximal von einer Blockadeabsicht der GegendemonstrantInnen ausgehen, nicht von einer Gefahr für die körperliche Unversehrtheit der BildungsplangegnerInnen.

In der Vergangenheit wurde solche Blockaden häufig zunächst geduldet. Dann wurde entschieden, ob es sich um eine rechtswidrige Totalblockade oder eine nach aktueller Rechtsprechung zulässige symbolische Blockade der Demonstration handelt.

Gegebenenfalls hätte die Polizei, wie in der Vergangenheit schon oft geschehen, die Blockade ohne Einsatz von Schlagstöcken oder Pfefferspray räumen bzw. ein paar Meter abdrängen können, um dem Demonstrationszug den nötigen Platz zu verschaffen.

Stattdessen entschloss sich die Polizei hier, die Kreuzung unter Einsatz von Schlagstock und Pfefferspray zu verteidigen. Eine Notwehrsituation bestand dabei höchstens beim Durchbruch einiger GegendemonstrantInnen durch die Polizeisperre in der Torstraße. Dies betrifft jedoch nur einen kleinen Anteil der Pfefferspray- und Schlagstockeinsätze.

Alle darauf folgenden Pfefferspray- und Schlagstockeinsätze, bei denen die Mehrzahl an Verletzungen entstanden sind, erachten wir als rechtswidrig.

Dies betrifft insbesondere die Pfeffersprayattacken auf die verbliebenen DemonstrantInnen in der Torstraße und die teilweise hinterhältigen Attacken auf Kleingruppen und Einzelpersonen, die insbesondere von einem Reiter der Reiterstaffel ausgingen und unserer Meinung nach den Tatbestand der Körperverletzung im Amt erfüllen.

Wir gehen nach unseren Beobachtungen davon aus, dass ein Teil der verletzten PolizistInnen durch „Friendly Fire“, also durch von der Polizei versprühtes Pfefferspray verletzt worden sind. Dies wurde uns von einem Pressefotografen, der entsprechendes Bildmaterial hatte, bestätigt.

An dieser Stelle verweisen wir betreffend der Gefahr und der rechtlichen Rahmenbedingungen des Einsatzes von Pfefferspray auf unserer Schwesterorganisation „BürgerInnen beobachten Polizei und Justiz“ aus Göttingen:
www.buerger-beobachten-polizei.de/index.php/thema-repression/pfefferspray

Die hohe Zahl an verletzten DemonstrantInnen, die von der Demosanitätsgruppe Süd-West gemeldet wurde,  steht in krassem Missverhältnis zum bis auf den Durchbruch an der Torstraße friedlichen Verlauf der Demo.

Auf vielen Anti-Nazi-Demos kommt es zu mehr und heftigeren Konflikten, aber weniger Verletzten.

Verantwortlich für das Missverhältnis ist nach Ansicht von Demobeobachtung Südwest der wiederholte, rechtswidrige und folgenschwere Gebrauch von Pfefferspray in Nicht-Notwehr-Situationen. Dies stellt im Übrigen auch einen Verstoß gegen die polizeilichen „Handhabungshinweise“  für den Einsatz von Pfefferspray dar.
(vgl. Kontext vom 13.08.2014, Absatz „Strengste Vorschriften für den Einsatz von Pfefferspray“)